Von Metazoa bis Nephrozoa

Die Systematik der Lebewesen - von den Vielzelligen Tieren (Metazoa) bis zu den Nierentieren (Nephrozoa)

Metazoa (Vielzellige Tiere) [HAECKEL, 1874]

Die Gruppe der Vielzelligen Tiere umfasst mehr als 1,3 Millionen bekannte Arten. Schätzungen gehen davon aus, dass dies nur ein Bruchteil ist und die Gesamtzahl zwischen 10 und 20 Millionen liegen könnte. Besondere Merkmale der Metazoa:

 

  • Sie besitzen mehrere Zellen, wobei die einzelnen Zellen differenziert und auf unterschiedliche Aufgaben spezialisiert sind. Auch die Schwämme haben unterschiedliche Zellen, die der Wasseraufnahme, der Verdauung oder dem Skelettaufbau dienen.
  • Gleichartige Zellen kommunizieren mittels chemischer Signale miteinander, beeinflussen sich gegenseitig, arbeiten zusammen und bilden Gewebe.
  • Zur geschlechtlichen Fortpflanzung produzieren sie Eizellen und Spermien.

 

Aktuelle Untersuchungen haben ergeben, dass die Rippenquallen die ältesten mehrzelligen Tiere sind (vgl. Ancient gene linkages support ctenophores as sister to other animals - Published: 17 May 2023). Damit stehen sie an der Basis des Tierstammbaums und bilden die Schwestergruppe aller anderen heute lebenden Tiergruppen. Die Schwämme, die bislang als die älteste Stammeslinie im Tierreich galten, spalteten sich dagegen erst als zweite Gruppe vom Rest ab.



Ctenophora (Rippenquallen) [ESCHSCHOLTZ, 1829]

Sie heißen "Quallen", sehen aus wie Quallen, gelten aber zoologisch nicht als echte Quallen. Dafür fehlen ihnen die charakteristischen Nesselzellen. Der Speiseplan reicht von Plankton, Tierlarven, Würmer und Krebsen bis zu kleinen Fischen. Die etwa 100 Arten der Rippenquallen leben im Meer, die meisten lassen sich von der Meeresströmung treiben. Damit ist ihr Verbreitungsgebiet eng mit den Strömungsverhältnissen verbunden. Unterschieden werden die beiden Klassen Tentaculifera und Nuda.

  • Klasse Tentaculifera (Rippenquallen mit Tentakel) [ESCHSCHOLTZ, 1825]
  • Klasse Nuda (Rippenquallen ohne Tentakel) [CHUN, 1879]



Porifera (Schwämme) [GRANT, 1836]

Die Schwämme (Porifera oder Spongiaria) leben ausnahmslos im Wasser, die meisten im Meer und nur wenige Arten im Süßwasser. Es gibt mehr als 8.300 Arten. Ihre Größe kann sich erstrecken von wenigen Millimetern bis über drei Meter Höhe. Sie haben keine Organe, keine Muskel-, Nerven- und Sinneszellen. Sie leben sessil, bevorzugt auf Hartboden, können aber auch Überzüge auf Pflanzen oder Molluskenschalen bilden. Der überwiegende Teil der Schwämme ernährt sich durch Filtration. Anoxycalyx joubini, ist ein Riesenschwamm aus der Klasse der Glasschwämme. Er lebt am Boden der antarktischen Ozeangebiete. Sein Alter wird auf über 10.000 Jahre geschätzt, das höchste Alter aller bekannten tierischen Organismen. Der Stamm der Porifera wird in vier Klassen unterteilt:

  • Klasse Demospongiae (Hornkieselschwämme) [SOLLAS, 1885]
  • Klasse Calcarea (Kalkschwämme) [BOWERBANK, 1866]
  • Klasse Hexactinellidae (Glasschwämme) [SCHMIDT, 1870]
  • Klasse Homoscleromorpha [BERGQUIST, 1978]



Placozoa (Plattentiere oder Scheibentiere) [GRELL, 1971]

Die im Durchmesser max. 3 Millimeter kleinen Tiere haben von allen mehrzelligen Tieren die einfachste Struktur. Sie besitzen einen flachen, scheibenförmigen Körper und erinnern an Amöben, u.a. durch die beständige Veränderung ihrer Form. Eine echte Körpersymetrie existiert nicht. Vorne, hinten, rechts oder links können nicht definiert werden. Lediglich Rücken- und Bauchseite lassen sich strukturell als auch funktionell unterscheiden. Ein "ausgewachsenes" Tier besteht aus bis zu 1000 Zellen, die sich aus sechs verschiedenen Zelltypen zusammensetzen. Trennt man die einzelnen Zellen, finden sie im Reagenzglas wieder zu einem kompletten Organismus zusammen. Werden mehrere Tiere zertrennt und vermischt, entstehen auch hier wieder komplette Organismen, wobei die es passieren kann, dass Zellen eines bestimmten Tieres jetzt Teil eines anderen sind. Placozoa können sich nahezu unbegrenzt durch ungeschlechtliche Fortpflanzung klonen. Damit ist ihre Lebensspanne potenziell unendlich. Anhand genetischer Daten gilt es als sicher, dass es mehrere Arten gibt. Da sie sich aber morphologisch (d.h. in Struktur und Form) nicht unterscheiden lassen, wurde bisher nur Trichoplax adhaerens [F. E. SCHULZE, 1883] als einzige Art beschrieben.



Cnidaria (Nesseltiere) [HATSCHEK, 1888] bilder

Nesseltiere besitzen Nesselkapseln, die in der äußeren Schicht (Epidermis) eingebettet sind und zum Beutefang oder zur Abwehr von Feinden oder Konkurrenten eingesetzt werden können. Sie leben weltweit im Meer, selten auch im Süßwasser. Nesseltiere werden in 5 Klassen unterteilt:

  • Klasse Anthozoa (Blumentiere) [EHRENBERG, 1834]
  • Klasse Cubozoa (Würfelquallen) [WERNER, 1975]
  • Klasse Hydrozoa (Hydrozoen) [OWEN, 1943]
  • Klasse Scyphozoa (Schirmquallen) [GOETTE, 1887]
  • Klasse Staurozoa (Stiel- oder Becherquallen) [MARQUES & COLLINS, 2004]



Bilateria (Zweiseitentiere) [HATSCHEK, 1888]

Vor ungefähr 800 Millionen Jahren spalteten sich die Zweiseitentiere von den übrigen Tieren ab. Sie haben im Larvenstadium eine linke und eine rechte Körperhälfte, die jeweils spiegelbildlich zueinander aufgebaut sind. Im Erwachsenenstadium können einzelne Organe nicht symmetrisch ausgebildet sein, zum Beispiel die Leber des Menschen. Bilateria verfügen ursprünglich über ein Vorder- und ein Hinterende sowie einen Mund. Im Verlauf der stammesgeschichtlichen Entwicklung können diese Merkmale aber reduziert worden sein.

  • Xenacoelomorpha [PHILIPPE, BRINKMANN, COPLEY, MOROZ, POUSTKA, WALBERG, PETERSON & TELFORD, 2011]
    Diese wurmartigen Tiere werden nur wenige Millimeter groß, besitzen keinen durchgängigen Darm, keine Kiemenbögen und keine Körperhöhle. Da sie über keinen After verfügen, dient der Mund als Ausscheidungsorgan. Sie leben im Meer zwischen den Partikeln des Sediments, auf der Oberfläche von Algen oder Korallen oder im Darm von Seegurken. Die Gruppe besteht aus zwei Unterstämmen:
    • Acoelomorpha [EHLERS, 1985] mit etwa 370 Arten
    • Xenoturbellida [WESTBLAD, 1949] mit 7 Arten

  • Nephrozoa (Nierentiere) [JONDELIUS, RUIZ-TRILLO, BAGUÑÀ & RIUTORT, 2002]
    In dieser Gruppe sind alle Tiere zusammengefasst, die Nieren als Ausscheidungsorgane besitzen. Sie werden strukturiert in die beiden Stammgruppen Urmünder und Neumünder. weiterlesen

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